Das neue 3-Stellung-Finalformat und was es fürs 3x20 bedeutet
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🎯 Sportschießen
Ab 2026 wird das Finale im olympischen Dreistellungsbewerb nur noch Stehend geschossen. Was das für die Disziplin bedeutet und welche Chancen und Risiken ich sehe.

Ab 2026 wird das Finale im olympischen 3-Stellungsbewerb grundlegend verändert: Statt wie bisher in allen drei Stellungen geschossen, wird künftig nur noch Stehend geschossen (vermutlich im selben Modus wie beim Luftgewehr: 24 Schuss, bestehend aus zwei 5er-Serien und anschließenden jeweils 2 Einzelschüsse mit Ausscheidungen).
Wie war das bisher?
Das bisherige Finale bestand aus:
- 3×5-Schuss-Serien Kniend (in 200 Sekunden)
- 7 Minuten Umbau- & Probezeit für Liegend
- 3×5-Schuss-Serien Liegend (in 150 Sekunden)
- 9 Minuten Umbau- & Probezeit für Stehend
- 2×5-Schuss-Serien Stehend (in 250 Sekunden)‚
- Platz 8 und 7 scheiden aus
- Danach Einzelschüsse (in jeweils 50 Sekunden) mit Ausscheidungen nach jedem Schuss
In Summe also ein durchaus komplexes und zeitlich intensives Format mit klarer Struktur, aber auch Schwächen.
Warum die Änderung?
Der Auslöser ist eine Vorgabe des IOC (Internationales Olympisches Komitee): Finale sollen künftig maximal 45 Minuten dauern. Selbst bei einer Kürzung auf 3x10 mit verkürzten Umbauphasen war das mit dem bisherigen Ablauf nicht umsetzbar.
Statt sich in einen Endloskompromiss aus Reduktion und Anpassung zu verlieren, wurde entschieden: Das Finale wird künftig ausschließlich stehend geschossen.
Meine Gedanken dazu
Ich war nie ein großer Fan davon, dass im alten Format nach den 5er-Serien direkt zwei Schütz:innen gleichzeitig ausgeschieden sind und danach nur ein einzelner Schuss zwischen jeder weiteren Ausscheidung lag. Der Ablauf wirkte oft gehetzt und wenig dramaturgisch durchdacht.
Dass sich das neue Format am Luftgewehr-Finale orientieren wird, finde ich grundsätzlich sinnvoll. Das LG-Finale ist ein durchdachtes, spannendes Format, das auch für Zuschauer:innen ohne Vorwissen nachvollziehbar ist.
„Bevorzugung“ von Stehendschütz:innen?
Das Gegenargument, das am häufigsten kommt: Gute Stehendschütz:innen werden bevorteilt. Klar, aber wer es mit einem Score jenseits der 590 ins Finale schafft, gehört in allen drei Stellungen zur Weltspitze. Da reicht’s nicht, in einer Stellung zu glänzen.
Verpasste Chancen: Der Umbauprozess
Ein unterschätzter Aspekt ist für mich der bisherige Umbauprozess. Der ist hochpräzise, taktisch, durchgeplant und wurde medial dennoch mit Gewinnspielen Plaudereien oder Werbung überdeckt. Formel 1 machts halt besser: Dort starren alle gespannt auf die Pitstop-Uhr, bei uns herrscht Überbrückungspause.
Mit etwas Innovation hätte man aus dieser Phase ein Highlight machen können. So wars ein verschenkter Moment.
Und ja für mich persönlich ist das neue Finale auch nicht schlecht. Stehend ist meine stärkste Stellung (meistens zumindest 😅). Aber auch unabhängig davon: Einheitliche, mediengerechte Formate helfen dem Sport insgesamt.
Der Haken: Geht dabei nicht etwas verloren?
Was mir bei all der Effizienz-Diskussion auffällt: Die anderen Stellungen verschwinden aus der Sichtbarkeit. Kniend, optisch auffällig, technisch interessant, hat oft bei Zuschauer:innen ohne Vorkenntnis für Neugier gesorgt.
Wenn künftig nur noch Stehend geschossen wird, ist die Gefahr groß, dass der Unterschied zum Luftgewehr von außen nicht mehr erkennbar ist. Das könnte langfristig dazu führen, dass der Kleinkaliberbewerb als „eh das Gleiche“ wahrgenommen oder sogar infrage gestellt wird.
Darum ist es umso wichtiger, dass der Grunddurchgang medial gut aufbereitet wird. Grafiken, kurze Clips, Erklärungen. Die Zuschauer:innen müssen verstehen, was diesen Bewerb eigentlich ausmacht.
Mehr Bühne für lange Formate
Ein weiterer Gedanke: Muss wirklich alles auf 45 Minuten zusammengeschnitten werden?
Es gibt viele Sportarten, deren Faszination gerade in der Länge liegt: Tour de France. Ironman. Formel 1. Alles Formate, die Zuschauer:innen über Stunden fesseln, weil sie gut erzählt sind. Vielleicht liegt das Problem nicht in der Zeit, sondern darin, wie wir über den Sport sprechen.
Statt das Finale zu kürzen, könnte man auch daran arbeiten, die Qualifikation stärker in Szene zu setzen. Dort entscheidet sich viel, dort finden spannende Duelle statt‚ und dort spielen auch Kniend und Liegend ihre ganze Komplexität aus.
Und was heißt das für das 3x20?
Mit dem Wegfall von Umbauzeiten im Finale könnte es zu einer stärkeren Spezialisierung kommen. Wenn man beim Setup nicht mehr im Hinterkopf behalten muss, dass es auch schnell umbaubar sein muss, sind wesentlich spezifischere Setups für die jeweilige Stellung möglich.
Und ganz praktisch gedacht: Man spart sich auch das Geld für Spezialteile und Schnellverschluss-Systemen für die Visiererhöhungen. Just saying.
Aber das bringt mich zu einer anderen Frage:
Warum eigentlich kein 3x40 mehr?
Als 2018 Frauen- und Männerbewerbe „angeglichen“ wurden, wurde das Luftgewehr der Frauen auf 60 Schuss erhöht, also das Männerformat übernommen. Im 3-Stellung wurde das Gegenteil gemacht: 3x40 wurde auf 3x20 gekürzt.
3x40 könnte für mehr Differenzierung sorgen, also Gleichstände für den Finaleinzug vermeiden.
Zum Beispiel bei der EM in Châteauroux hatten im 3x20 Männerbewerb Platz 6 bis 10 591 Ringe, in solchen Fällen wird das als nächsten Schritt die Ergebnisse nach den Anzahl an Innenringzehner gereiht. Bei dem Bewerb war es wenigstens nicht der Fall, dass es bei den IZ auch noch einen Gleichstand gab. Aber was würde eigentlich in einem so einen Fall passieren, sollten Platz 8 und 9 dieselbe Anzahl an Innenzehnern haben?
Es wird dann nach der besseren letzten Serie gereiht. Und wenn die auch gleich ist? Dann wird die vorletzte Serie verglichen und wenn die immer noch gleich ist wird das Prozedere fortgesetzt bis eine unterschiedliche Serie gefunden wird.
Ist das fair? Was sagt denn, dumm gesagt, die Reihenfolge der Zehner wirklich über die Leistung aus?
Und wie gesagt ein längeres Format wie ein 3x40 würde solche Gleichstände zumindest reduzieren.
Veranstalter:innen wären vielleicht nicht begeistert, aber Munitionshersteller hätten bestimmt nichts dagegen 😉
Fazit
Das neue Format ist ein Kompromiss. Ob er gut ist, wird sich zeigen.
Klar ist: Der Fokus verschiebt sich weg von Dreistellung im Finale, hin zu einem (medienwirksamen?) Stehendschießen. Ich bin gespannt, wie sich das auf Training, Material und Wahrnehmung auswirkt.
Und ich hoffe, dass wir trotz Kürzungen den Blick für das behalten, was unseren Sport ausmacht. Denn das Problem ist nicht die Länge.
Das Problem ist, wie wir darüber erzählen.